PERSIS EISENBEIS
M a l e r e i - B e r l i n
Galerie Ines Schulz
Contemporary Art
01.01.2023 - open end
Obergraben 21
01097 Dresden
Ölmalerei
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
2021
2022
Rede von Dorothee Bauerle-Willert Liebe Persis Eisenbeis, lieber Karsten Kusch, lieber Herr Tammen, herzlichen Dank für die Einladung heute Abend zu der schönen Ausstellung zu sprechen, eine Ausstellung, die – auf den ersten Blick – zwei ganz unterschiedliche künstlerische Haltungen zusammenbringt, so als ob zwei offene Enden sich berührten. Wie Traumgesichte erscheinen die Bilder von Persis Eisenbeis und tatsächlich hat ihre Malerei viel mit Geschehenlassen, mit der Unwillkürlichkeit von Erinnerung und Traum zu tun. Jeder Traum hat einen Punkt, an dem er unergründlich ist, ist ein Verbindungsglied zum Unbekannten. Der Traum ist der Brennpunkt des subjektiven Universums und doch steht er in engstem Zusammenhang mit der schöpferischen Potenz, die das Unsagbare sagbar macht.
In Persis Eisenbeis werden irrlichternd die Fragen nach Grenzverläufen und
Übertritten zwischen
Illusion und Realität gestellt, sie sind Bild und Rätsel zugleich. Mit Witz,
Phantasie und Weisheit,
abgründig und hochfliegend variieren diese Gemälde die Bewegung zwischen den
Polen, das Ineinander
unterschiedlicher dramatischer Räume, sie eröffnen ein irritierendes Wechselspiel
von ferner Nähe,
naher Ferne, von Zeiten und Räumen. Harmlos sind diese Bilder nie – sie stellen
meist junge Mädchen
in das Bildzentrum, Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, in einem Transitorium.
Sie können
mit seltsamen Objekten hantieren oder in der Gesellschaft, in wundersamer Verwandtschaft mit
Tieren
kommunizieren. Es ist als ob unzensierte Botschaften aus dem Unterbewusstsein auftauchen,
die dann
im malerischen Prozess verwandelt Form werden. Wir sind eingeladen in ein freischwebendes
von erotischen
Energien durchsetztes Feld, wo die Gesetze der Vernunft scheinbar außer Kraft gesetzt
sind. Die merkwürdige
Faszination, die verführerische Kraft dieser Bilder parodiert, verrückt den Sinn
und lockt uns ins Spiel.
In die Schönheit mengt sich Bedrohliches – so wie in jedem Märchen das
Grauen und Versöhnung balanciert
werden. Wir sind im Schatten junger Mädchenblüte, wie der zweite Band von Prousts
Auf der Suche nach der
verlorenen Zeit heißt und oft sind diese jungen Mädchen, fremd und vertraut wie
jede Kindheit, tief
eingebettet in das Interieur, das zum Futteral der Figuren wird. Es sind oft kostbare
Räume und zugleich
Orte des Unheimlichen, ausgestattet mit üppigen Polstermöbeln, mit ornamentalen
Tapeten, die sich hinter
der Szene aufspannen. Der Bildgrund, das Ornament gibt ein sich meist wiederholendes, oft
abstraktes oder
abstrahiertes Muster, ist gemalte Mathematik, ein Spiel mit Form und Rhythmus, oft
symbolisch, doch ohne
eindeutige narrativer Funktion. Wiederholung kennzeichnet auch den Traum und die Erinnerung
– etwas
wiederholt sich, wird wieder heraufgeholt, hervorgeholt aus den Tiefen des
Gedächtnisses, und es ist ja
nicht steuerbar, kontrollierbar, was wir träumen, was uns in der Erinnerung
zufällt. Es sind verwandelnde
Kräfte und Mächte – wie die Imagination, die über das Faktische
ausschweift. Genau dies ist auch die Gabe
der Kunst, die weit über die Wiedergabe, die Abspiegelung der Welt hinausreicht. Was
das Bild zeigt, was
diese Bilder hier zeigen, sind Möglichkeitsfelder. Die Kunst öffnet einen Raum,
der im Geschehen der Ent-
und Verbergung ein anderes Verstehen erst ermöglicht. Diese Auffassung einer
ursprünglichen Gabe in der
Malerei impliziert bereits, dass das Kunstwerk keine bloße Wiederholung eines
Außen ist. Das Außen und das
Bild treten in ein komplexes Verhältnis. In ihrer Malerei erkundet Persis Eisenbeis ganz frei und neu das uralte, vertrackte Verhältnis zwischen Vorbild und Bild, zwischen Mimesis und Schöpfung. Und wie in weitem Bogen geht es auch in den so anderen Arbeiten von Karsten Kusch um das Spiel und Widerspiel zwischen dem Gesehenen und seiner zeichnerischen Wiedergabe. Der geschlossenen, opaken enigmatischen Malerei stehen hier in der Galerie Tammen die oft offenen, zeichnerisch akzentuierten, meist menschenleeren Bildräume gegenüber.
Die Verwandlungen des urbanen Raums sind Thema und Fokus der Zeichnungen von Karsten Kusch.
Es sind
Zwischenreiche zwischen Leerraum und Konstruktivität. Im prägnanten zeichnerischen
Strich jedoch wird auch der
nicht definierte Ort des Bildes, das Weiß des Blattes aktiviert und zu einem aktiven
Mitspieler des
Bildgeschehens. Der Bildgrund verändert sich selbst in seiner Farbigkeit durch die
prägnant gesetzte farbige
Linie. Die Zeichnung, die direkte spontane Bildhandlung, ist ein Energon, das immer auch die
Energie des
Zeichners mitschwingen lässt und der Impuls für die künstlerischen Arbeit von
Karsten Kusch, und dies auch in
seinen großen malerischeren Leinwänden mit ihrer wagemutigen Farbigkeit, die das
Bekannte in ein anders-sehen,
neu-sehen überführt.
Beide Künstler verbinden sich wie Anfang und Ende in der Erfahrung des Bedeutungsreichtums der Dinge der Welt, der sich in der Zeit entfaltende Fülle ihres Gegenstandes, die als Offenheit und Öffnung je andere und immer neue Horizonte und Perspektiven erreicht. Der Künstler nimmt auf, verdichtet den Reichtum der Welt, gibt ihn weiter: Die Kunst ist ein komplexes Geflecht, ein generöser Akt (in dem Gen und Genius steckt). Die Gabe der Schöpfung, die sich – in kreiselnder Bewegung - an das in uns wendet, was Gabe ist und nicht Errungenschaft. Die Phantasie, die Imaginationskraft des Künstlers findet ihr Echo in dem mit Phantasie begabten Betrachter – die Gabe der Phantasie ist die Brücke, die beide miteinander verbindet, die Zwischenräume des Wirkens auffächert und weitet. Betreten Sie bitte diese Brücke.
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Verdrängtes, Pathos und Ornament Die 1969 geborene Künstlerin verbrachte ihre Schulzeit in der reformpädagogisch geprägten Summerhill Internatsschule in Leiston (Suffolk, England) sowie unter den avantgardistischen musikalischen Äußerungen solch bahnbrechender Bands wie Bauhaus, The Clash, Crass und Die Goldenen Zitronen. Das war der verwirrende Sound der Achtziger, geprägt durch Punk und melancholisch kaltblauen Synthie-Pop. Diesem Erbe verdankt die Ästhetik ihrer Bilder einiges. Man meint die Sounds zu hören. Ergebnis einer Jugendzeit mit Radio, Schallplatten, Musikkassetten, Filmen. In den entscheidenden Momenten spielt Musik, und wenn sie nicht spielt, dann kommt es einem so vor, als hörte man sie trotzdem.
Ihre Bilder haben viel mit Geschehenlassen zu tun. "Ich
habe mir nicht so viel dabei gedacht." Ja, kann es denn sein, dass
eine Künstlerin solche Bilder malt, einfach so? Auf die Form komme
es an. Aber ihre Bilder, kleine Poesien der Einsamkeit, der Gemeinsamkeit,
des Lebens die verarbeiten doch bestimmt ihre persönlichen
Erfahrungen? "Ich bin mir nicht so klar darüber, welchen Anteil
mein Gemütszustand daran hat", sagt sie. ber Bilder
denke sie nicht nach. Sie male sie bloß. "Die Fragen stellen
sich, indem man etwas macht. Und macht man etwas, beantworten sie sich
auch." Und dann taucht die Künstlerin wieder in ihre Bildbrunnen
ein, tiefer und tiefer hinab. Verdrängtes, Pathos und Ornament,
klar und perfekt ausformuliert, bilden einen speziellen Wirkmechanismus. Das Beste an diesen Bildern ist: sie sind nicht konfektioniert. Sie regen
unsere Fantasie und Kreativität an.
Es gibt in ihren Bildern atemberaubende Einblicke: Mädchen und Goldfisch - eine stille, zeitverlorene Welt für sich. Die Kartenlegerin, Schnittmenge für das Persönliche im Erwarteten. Drei Jungs geknüpft an die Frage: wo endet kindliche Freiheit und wo beginnt Normierung? Die Jungfrau Ironisierung des Marlboro-Cowboys, ein Bild ohne Scham in der Durchdringung von Gefühl und Politik.
In vielen Bildern tritt das Ornamentale wie ein geheimnisvoller Vorhang
in Erscheinung, eine meditativ ausformulierte Motivverkettung, nachdenklich
und kostbar zugleich, aufgespannt wie gigantische, farbenprächtige
Schmetterlingsflügel. Persis Eisenbeis nutzt das Ornament als Ursprung
der Abstraktion und setzt es klug gegen den Realismus der Figuren. Die Ambivalenz dieser Bilder ist bewundernswert. Das Komponierte, formal Strenge, wirkt immer auch leicht und intuitiv, wie Traumstaub. Erstaunlich, dass bei aller Präzision und hellwachen Differenzierung eine fließende Leichtigkeit bleibt, selbst wenn die Rätselhaftigkeit ins Bedrohliche umzuschlagen beginnt. Christoph Tannert (Januar 2013) Anmerkung Sämtliche Zitate beziehen sich auf ein Gespräch zwischen Persis Eisenbeis und dem Autor, geführt am 17.01.2013. |